Storytelling: …das Monster zähmen

Michael Geerdts, Storytelling, Serie, 3 gute Gründe weshalb Unternehmen Geschichten brauchen

Die mitreißendsten Geschichten entstehen oft aus Momenten, in denen wir wichtige Entscheidungen getroffen oder eine Lektion gelernt haben. Im vorherigen Blogartikel haben Sie erfahren, wie Sie mit einer persönlichen Geschichte die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer gewinnen. Doch wie können Sie als Redner es vermeiden, sich in den eigenen Emotionen zu verlieren? Schließlich möchten Sie Ihr Publikum doch in eine bestimmte Richtung führen?

Im Tal der Tränen

Vor genau zwei Jahren habe ich an einem Storytelling-Workshop teilgenommen. Inhaltlich ging es darum, eine persönliche Geschichte wirkungsvoll zu präsentieren. Der erste Referent erzählte von seiner bewegten Vergangenheit: Alkohol, Gewalt und Drogenexzessen. Er schloß mit dem Moment, in dem er eine Entscheidung traf und sein Leben eine neue Richtung bekam. Das alles wirkte sehr echt und motivierend auf mich.

Die zweite Referentin berichtete von einem Verkehrsunfall. Auf einmal stockte sie und Tränen liefen ihr über das Gesicht. Dann brach es förmlich aus ihr heraus. Es hat mehrere Minuten gedauert, bis sie sich wieder beruhigen konnte. Den meisten im Publikum war es sehr unangenehm. Mir auch. Grundsätzlich schätze ich es sehr, wenn ein Redner seine Emotionen mit dem Publikum teilt. Im Kino bezahlen wir sogar dafür. Sie haben Titanic oder Winnetou 3 gesehen? Dann wissen Sie genau, was ich meine.

In diesem Moment habe ich mir sehr unwohl gefühlt und mir Sorgen um die Dame gemacht. Wahrscheinlich wäre es Ihnen genauso gegangen. Wie können Sie als Redner also emotionale Distanz zu Ihrer Story bekommen?

Der Fels in der Brandung

August 2013. Worlds Greatest Speakertraining in Santa Clara, Kalifornien. Brendon Burchard, so ein Typ Duracell-Hase, stürmt auf die Bühne. „Der ist doch auf Droge“, war mein erster Gedanke. Und ich hing ihm sofort an den Lippen. „Let me tell you my story….“. Brendon erzählte uns von einem schweren Verkehrsunfall, den er überlebt hat. „Und als ich blutend vor dem Wrack stand, habe ich mich gefragt: Habe ich gelebt? Habe ich geliebt? Habe ich etwas bedeutet? Und wenn ich hier heil rauskomme, werde ich alles tun, um diese Fragen mit ja zu beantworten. An jedem Tag. Welche Fragen stellst Du Dir?“

Er blieb dabei ganz ruhig und machte nur einmal eine lange Pause. Sie hätten die eine Träne auf seiner Wange gesehen, wenn Sie neben mir gesessen hätten. Und dann machte er ganz ruhig und normal weiter. Dieser Moment war echt und hatte so viel Tiefgang, dass ich auch drei Jahre später beim schreiben noch Gänsehaut bekomme. Ich war tief bewegt, weil er sich so offen und verletzlich auf der Bühne zeigte.

[Tweet „Emotion is like electricity – Bo Eason.“]

 

Das Monster zähmen

Wenn Sie mit Storytelling arbeiten, dann wollen Sie starke, tiefe Emotionen, um Ihr Publikum mit auf die Reise zu nehmen. Es ist meiner Meinung nach völlig in Ordnung starke Gefühle zu zeigen. Hauptsache, Sie haben genügend emotionale Distanz zu Ihrer Story und können Sie in Ruhe erzählen. Hier sind 3 Schritte, mit denen Sie das Monster zähmen können.

1.) Bereiten Sie sich gut vor.

Starten Sie nicht einfach mit einer Geschichte, nur weil sie Ihnen gerade einfällt. Arbeiten Sie an Ihrer Story, bevor Sie das erste Mal damit auf die Bühne gehen. Üben Sie Zuhause, vor Freunden oder vor  Kollegen. Behalten Sie auf jeden Fall das Ende im Kopf: Wie haben Sie das Problem gelöst? Was haben Sie aus der peinlichen Situation gelernt? Oder denken Sie daran, wie lustig dieser Moment war. Bleiben Sie bei der Struktur. So nehmen Sie Ihre Zuhörer nicht nur mit runter ins Tal, sondern auch wieder rauf auf den Berg.

2.) Bleiben Sie ruhig stehen.

Geniessen Sie den Moment, wenn die Emotion hochkommt. Bei mir fühlt sich das wie eine Welle an. Sie brauchen es weder zu kommentieren, noch darüber zu sprechen.

3.) Geben Sie sich die Erlaubnis

Erlauben Sie sich, dieses Gefühl herauszulassen. Mir gefällt der Ausdruck von Dr. Joan Rosenberg: Just ride the wave. Wenn Sie gut vorbereitet sind, können Sie damit umgehen. Das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung versichern. Ich bin überzeugt, starke Stories verlangen geradezu danach. So wie Ihr Publikum. Mehr dazu erfahren Sie auch im Workshop Storytelling.

Also lachen, weinen oder toben Sie. Für einen kleinen Moment. Besonders wenn Sie gerade jetzt denken: Geerdts, Du hast Sie nicht alle. Reden Sie nicht über Emotionen, zeigen Sie Emotionen. Damit nehmen Sie Ihr Auditorium mit auf die Reise und es kann von Ihnen lernen. Zähmen Sie das Monster.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen spannende Geschichten. Schreiben Sie mir gern Ihre Erfahrungen. Ich freue mich auf Ihre Kommentare.

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